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und sah den Kaufmann von Venedig, das erste Stück, das ich hier vollkommen gut
habe geben sehen, es war ein köstlicher Genuß.       Devrient als Shylok werde ich nie
vergessen. Der Meister war nicht zu verkennen, und doch ist die Rolle gewiß schwer,
da sie an sich schon etwas Karrikatur ist. Die Stich als Porzia war wie natürlich vor=
züglich, überhaupt bin ich in sie rein verliebt, denn ein so schönes Weib und eine
so große Künsterlinn in einem Individuum vereint zu sehen, das muß wirken. Gern
Sohn1
machte aus dem Lanzelot Gobbo sehr viel, er hatte d. Rolle studirt u. spielte sehr
ergötzlich; beim Lesen glaubte ich nie, daß in der Rolle so viel steckte.             Nach dem
Theater war ich mit Lewald bei Thiermann, wo ich das erste Mal tüchtig Austern
aß u. dabei die ausgesuchte Kupferstich u. Bildergallerie, die der Mann besitzt, be=
wunderte.             Ich vergaß vorhin vom Lemm zu sprechen, der den Antonio gab, u. mir
zwar die Rolle falsch aufzufassen schien, denn er gab […] ihn zu unmännlich, aber als
tüchtiger Schauspieler sie doch consequent durchführte. -             Den 24sten mache ich mehrer[e]2
Besuche, bei Eichhorns, der Marchand, der Bloch; letztere schenkt mir 2 Billets zu den
Möserschen Mittwochs=Quartetten, von denen ich zu ihrer Zeit sprechen werde.
3Nachmittags war ich bei Onkel Heinrich, wo ich Görings traf u. zum ersten Mal die
Bertha traf, ein schönes geistreiches Mädchen [im Tagebuch steht daneben: so ein Mädchen
muß einmal meine Frau werden] Dienstag den 25sten habe ich das erste Mal die
hiesigen berühmten Redouten kennen lernen.             Wir waren gegen 20 Studenten,
die wir zusammen dort waren, u. die wir unsere Erkennungszeichen hatten. Als ich herein
trat in den colossalen Saal, alles gedrückt voll fand, u. dabei diesen Tumult, wurde
ich ganz schwirblich, u. schwindlich, ich wollte mich erst ein wenig fassen, wurde aber
unwillkurlich mitten hinein gerissen.             Es waren zwischen 3 u. 4 Tausend Masken
da.             Man ist in solch einer Maske einem Domino ein ganz anderer Mensch, man bewegt Donnerstag den 16t Febr
sich weit ungezwungener, ja, ich habe es an mir bemerkt, man wird weit witziger; we=
nigstens kamen mir meine Witze äusserst reizend vor.             Ich eroberte eine Menge Bänder und
Blumen, die ich zum Theil noch habe, hatte auch mehrere besondere Abentheuer, z.B. in einer Loge, wo
mich zwei demaskirte Damen u. ein Herr verkannten, wahrscheinlich durch ein rothes Band
verführt, was ich in Händen hatte; gegen eine Viertelstunde erhielt ich sie in ihrem Irrthum, und
wurde dadurch Vertrauter allerliebster Geheimnisse.             Ja vor der königlichen Loge erhielt ich
sogar nach langem Flehen, selbst Fußfall, ein Liebesbekenntniß.                 Doch genug davon, gegen ½ 5
fuhr ich nach Hause.          Den Lieutenant v. Pochhammer u. Sihler sah ich in jenen Tagen mehrere
Mal u. Sihler auch gestern im Thiergarten.             Sonnabend d. 29st. war ich auf dem zweiten
Brühlschen Ball.             Es war wieder sehr angenehm u. schön; d. königl. Familie sah ich wieder ganz
in der Nähe.    Den 2ten Febr. besuchte ich die Möserschen Quartetts, und hatte einen ausgezeich=
neten Genuß, vorzügl. Möser als erster Violinist ist ausgezeichnet. Ich sah dort Spohr, der hier
war, um die Jessonda einzuüben, die übermorgen zum zweiten Male gegeben wird u. großes
Furore macht. Sonnab. d. 5t war ich auf dem 3ten Brühlschen Ball mit Lewald, der Madam
Philippsborn (einer gebornen Baroneß Bodenbrug, sehr schön; Lewald versteht’s) der mich Le=
wald
eingeführt hat, ihrer Stieftochter u. Mutter. Der Ball war der ausgezeichneste gr

Notes:

1 Albert Gern (1789-1869) was a German actor and son of the actor Johan Georg Gern (1757-1830), hence Gern Sohn.

2 The edge of the paper is slightly damaged at this point, impairing the reading of this word.

3 A red crayon mark in the left margin suggests that this passage was considered by Marie Gärtner.